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die_zeit [2017/11/07 15:10] andreasweingartendie_zeit [2020/08/18 18:46] (aktuell) andreasweingarten
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-====== Die Zeit - ein Faktor, der sich hinzieht ======+====== Die Zeit - Gedanken dazu ======
  
 Immer wieder stoße ich bei Recherchen rund um die Ausbildung der Pferde und im Leben mit den Pferden (und natürlich nicht nur hier) auf das Thema "Zeit". Immer wieder stoße ich bei Recherchen rund um die Ausbildung der Pferde und im Leben mit den Pferden (und natürlich nicht nur hier) auf das Thema "Zeit".
  
-===== Ein erster Gedanke dazu ===== 
  
 Zur Einführung in diese Thematik hier ein Gedanke, den ich 2004 im Rahmen eines Briefwechsels mit einem Freund notiert habe: Zur Einführung in diese Thematik hier ein Gedanke, den ich 2004 im Rahmen eines Briefwechsels mit einem Freund notiert habe:
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 Dinah Avni-Babad und Ilana Ritov von der Hebrew University in Jerusalem sind der Frage nachgegangen. Sie konnten in mehreren Studien zeigen, dass Zeit, die man mit Routinetätigkeiten verbringt, kürzer erscheint als Zeitspannen, in denen viel Neues passiert (Psychology Today, 6/2004). Dinah Avni-Babad und Ilana Ritov von der Hebrew University in Jerusalem sind der Frage nachgegangen. Sie konnten in mehreren Studien zeigen, dass Zeit, die man mit Routinetätigkeiten verbringt, kürzer erscheint als Zeitspannen, in denen viel Neues passiert (Psychology Today, 6/2004).
-Routine könne man sich als eine gerade Linie im Gedächtnis vorstellen, während neue Erlebnisse "Zacken" und Umwege +Routine könne man sich als eine gerade Linie im Gedächtnis vorstellen, während neue Erlebnisse "Zacken" und Umwege verursachten, erklärt Avni-Babad. In der Gleichförmigkeit des Alltags geschieht vieles automatisch, an bestimmte Aktivitäten kann man sich kaum erinnern. Welche Socken habe ich an? Wem bin ich auf dem Weg zur Arbeit begegnet? 
-verursachten, erklärt Avni-Babad. In der Gleichförmigkeit des Alltags geschieht vieles automatisch, an bestimmte Aktivitäten kann man sich kaum erinnern. Welche Socken habe ich an? Wem bin ich auf der Weg zur Arbeit begegnet? +Ungewohnte Erfahrungen hingegen bleiben im Gedächtnis haften. Entsprechend erscheint die Zeitspanne bei ereignisreichen Tagen länger: Man erinnert sich nicht an eine einzelne Begebenheit, nämlich "die Routine", sondern eine Fülle neuer Eindrücke. Je älter man wird, desto mehr Lebenserfahrung hat man - und desto weniger Ereignisse sind neu und unbekannt. Der Alltag erscheint als Nulllinie in unserer Erinnerung. Wer also die Zeit "anhalten" will, sollte sich immer wieder neuen Erfahrungen aussetzen: "Rüttle dein Leben wach", empfiehlt Dinah Avni-Babad.
-Ungewohnte Erfahrungen hingegen bleiben im Gedächtnis haften. Entsprechend erscheint die Zeitspanne bei ereignisreichen Tagen länger: Man erinnert sich nicht an eine einzelne Begebenheit, nämlich "die Routine", sondern eine Fülle neuer Eindrücke. Je älter man wird, desto mehr Lebenserfahrung hat man - und desto weniger Ereignisse sind neu und unbekannt. Der Alltag erscheint als Nulllinie in unserer Erinnerung. Wer also die Zeit "anhalten" will, kann sich immer wieder neuen Erfahrungen aussetzen: "Rüttle dein Leben wach", empfiehlt Dinah Avni-Babad.+
  
-Die vergangene Zeit" ist also die Summe der neuen, erinnerbaren Erfahrungen. Um Zeit nicht rasen zu lassen, sind neue Eindrücke von Nutzen.{{ :uhr.jpg?direct&400|}}+Die vergangene Zeit" ist also die Summe der neuen, erinnerbaren Erfahrungen. Um Zeit nicht rasen zu lassen, sind neue Eindrücke von Nutzen.
  
 ===== Die Zeit beim Pferd ===== ===== Die Zeit beim Pferd =====
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 Ein großer Fehler, denn was nun kommt ist meist eine Spirale von Ungerechtigkeiten gegenüber dem Pferd und den dazu passenden Reaktionen des Pferdes. Das dennoch viele Trainingseinheiten positiv enden, liegt einerseits an der unerschütterlichen Gutmütigkeit des Tieres und seiner Freude an Mitarbeit, andererseits daran, dass natürlich auch falsche Reaktionen nicht gesehen und von uns entsprechend nicht geahndet werden. Das ist dann eine kleine Laune der Natur, dass wir hier belohnt werden für unsere Ausgeglichenheit und eine positive Ausbildungsmethode (die aber in Wirklichkeit in diesem Fall nur in unserem Unvermögen begründet liegt).  Ein großer Fehler, denn was nun kommt ist meist eine Spirale von Ungerechtigkeiten gegenüber dem Pferd und den dazu passenden Reaktionen des Pferdes. Das dennoch viele Trainingseinheiten positiv enden, liegt einerseits an der unerschütterlichen Gutmütigkeit des Tieres und seiner Freude an Mitarbeit, andererseits daran, dass natürlich auch falsche Reaktionen nicht gesehen und von uns entsprechend nicht geahndet werden. Das ist dann eine kleine Laune der Natur, dass wir hier belohnt werden für unsere Ausgeglichenheit und eine positive Ausbildungsmethode (die aber in Wirklichkeit in diesem Fall nur in unserem Unvermögen begründet liegt). 
  
-Hat man jedoch die Zusammenhänge erfast, sind die Ergebnisse sehr erstaunlich und manchmal tritt man mit seinem vierbeinigen Partner in eine völlig neue Lernwelt.+Hat man jedoch die Zusammenhänge erfasst, sind die Ergebnisse sehr erstaunlich und manchmal tritt man mit seinem vierbeinigen Partner in eine völlig neue Lernwelt.
  
 Zur Erläuterung: In meinem Verständnis von positiver Ausbildung werden alle Versuche des Tieres auf meine Hilfen zu reagieren belobigt oder - falls falsch - einfach ignoriert. Zur Erläuterung: In meinem Verständnis von positiver Ausbildung werden alle Versuche des Tieres auf meine Hilfen zu reagieren belobigt oder - falls falsch - einfach ignoriert.
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 +Auch interessant ist die extrem kurze Zeitspanne im Zehntelsekundenbereich bei der optischen Wahrnehmung von Bewegung durch das Pferd. Wir sind da sehr träge und unsere Bilder werden vom Gehirn „geglättet“. Deutlich wird dies, wenn man man beim Betrachten von Filmen mit 18 Bildern/Sekunde einen reibungslosen Bewegungsablauf sieht, obwohl es einfach 18 separate Bilder sind mit entsprechend langen Pausen. Die fehlenden Bilder ersetzt unser Gehirn. Pferde haben zwar kein so flächig scharfes Bild aber eine wesentlich bessere Wahrnehmung von jedweder, noch so kleinen Bewegung in einem viel kürzer getakteten und damit kompleteren Bilderzyklus (mit der entsprechenden Reaktion). 
  
  
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 Je nach Bedarf und Fortschritt kann vor oder nach der Lerneinheit eine 10 minütige Bewegungseinheit eingebaut werden um z. B. dem Bewegungsbedürfnis des Pferdes (oder des Menschen) nach zu kommen und die Konzentration zu erhöhen. hier ist eine gute Beobachtung des Partners Pferd nötig, um nicht den Effekt ins Gegenteil zu verkehren (Ruhe und Erschöpfung miteinander zu verwechseln ist z. B. fatal). Je nach Bedarf und Fortschritt kann vor oder nach der Lerneinheit eine 10 minütige Bewegungseinheit eingebaut werden um z. B. dem Bewegungsbedürfnis des Pferdes (oder des Menschen) nach zu kommen und die Konzentration zu erhöhen. hier ist eine gute Beobachtung des Partners Pferd nötig, um nicht den Effekt ins Gegenteil zu verkehren (Ruhe und Erschöpfung miteinander zu verwechseln ist z. B. fatal).
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 sind für uns die maximale Dauer von Konditions- und Trainingseinheiten. In kaum einem Fall kann ein Mensch oder ein Tier seine Konzentration so lange aufrecht halten. Hier ist zu beachten: Pausen sind notwendig für Körper und Geist. Lieber mehrere kurze Einheiten, als eine lange.  sind für uns die maximale Dauer von Konditions- und Trainingseinheiten. In kaum einem Fall kann ein Mensch oder ein Tier seine Konzentration so lange aufrecht halten. Hier ist zu beachten: Pausen sind notwendig für Körper und Geist. Lieber mehrere kurze Einheiten, als eine lange. 
 Es ist auch nötig ehrlich zu sich selbst zu sein: was kann ich mit 100 % leisten und was verlange ich von meinem Pferd?  Es ist auch nötig ehrlich zu sich selbst zu sein: was kann ich mit 100 % leisten und was verlange ich von meinem Pferd? 
-Ich kann nicht verstehen, wenn stolz von ewig langen Ausbildungsstunden berichtet wird. Dabei wird das Pferd nur sauer oder stumpf und der Reiter ist es vermutlich schon. Abwechslung ist selbst bei Distanzreitern alles und man muss nicht täglich 30 km reiten um einen Distanzritt mit 30 km zu absolvieren.+Ich kann nicht verstehen, wenn stolz von ewig langen Ausbildungsstunden berichtet wird. Dabei wird das Pferd nur sauer oder stumpf und der Reiter ist es vermutlich schon. Abwechslung ist selbst bei Distanzreitern alles und man muss nicht täglich 30 km reiten um einen Distanzritt mit 30 km zu absolvieren. Die größten Einsichten und Lernerfolge hatte ich selbst und bei den Pferden in relativ kurzen Intervallen.  
 +Manchmal ist es ja nur eine Geste, eine Erkenntnis und man denkt: So ist das also! So geht das! 
  
 ==== 1 Stunde ==== ==== 1 Stunde ====
-pro Woche Quality Time +Diese eine Stunde - ein Zeitbegriff, der uns sehr geläufig ist. Immer relativ, wie alle Zeitbegriffe, und entsprechend kann eine Stunde sehr lang sein (Schulstunden, obwohl nur 45 Minuten, kamen mir als Schüler immer endlos vor) oder auch sehr kurz (bei schönen Ereignissen oder spannenden Dingen, oder mit lieben Menschen usw.). 
-pro Woche für etwas gänzlich Neues + 
-pro Woche nichts tun+ 
 +Für Pferde hat diese Einheit keine besondere Bedeutung, aber wir können sie - wie alle Zeitbegriffe - für unserer Tiere mit Sinn erfüllen. Hier mal ein paar Beispiele, die innerhalb einer Stunde das Leben bereichern und/oder positiv verändern können: 
 + 
 +  * Widme Deinem Pferd - trotz Stress und zeitlich engem Rahmen - eine Stunde "Quality Time". Geh zum Pferd ohne etwas von ihm zu verlangen. Einfach nur Pflegen (wenn es das geniessen kann) oder mit einem speziellen, nicht alltäglichen Futter überraschen. Wichtig ist, keinen Druck zu machen. Pferde strahlen danach oftmals richtig von innen heraus und finden zur Ruhe.    
 + 
 +  * Mach mit Deinem Pferd für eine Stunde mal etwas komplett Neues. Wer nie Freiarbeit gemacht hat, sollte es mal versuchen. Wer nie mit seinem Pferd spazieren gegangen ist, soll das mal anfangen. Wer nie mal einen Sprung mit seinem Pferd gemacht hat, lässt sich mal beraten und baut sich und seinem Vierbeiner mal ein Cavaletti auf. Wer nie eine Gelassenheitsprüfung gemacht hat, stellt sich mal ein entsprechendes Hindernis auf. Man lernt sein Tier von einer anderen Seite kennen, man lernt zusammen mit neuen Situationen umgehen und - wenn es eine Stallgemeinschaft gibt - hat man was zu reden und miteinander zu unternehmen...  
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 +  * Mach einfach mal eine Stunde nichts mit Deinem Pferd sondern sei nur da. Unaufdringlich mit einem Stuhl in die Nähe setzen oder dem Tier bei seinem ganz normalen Leben zusehen. Das öffnet einem oft neue Zugänge, fördert Ideen und knüpft ein enges Band. 
 +  
 +//Das klingt harmlos kann aber die Sichtweise auf die gemeinsame Arbeit ändern, das Verhältnis sehr positiv ändern und prägen. Ein Versuch kann ja nichts schaden und bei 8.736 Stunden in Jahr ist das "Investment" ja recht übersichtlich.// 
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 +{{ :uhr-.jpg?direct |}} 
 +==== 1 Tag ==== 
 +{{ :mirchen-1.jpg?direct&400|}} 
 +Ein Tag im Leben eines Pferdes. Interessant sich mal darüber Gedanken zu machen, wie unser Pferd seinen Tag verbringt. Das mal im Stundentakt aufzuschreiben macht einige Problemstellen klar und kann helfen, "Baustellen" in Haltung und Training aufzuspüren. Dringend empfohlen für alle, die auch Pferdehaltung betreiben. 
 + 
 +Nicht zu vergessen sei die Tatsache, dass die Nacht für Pferde nicht so der Ruhe dient, wie bei uns Menschen. Pferde sind auch nachts aktiv und deshalb ist es nur unsere Vorstellung des „Tages“, welche Pferden nachts die „Boxenruhe“ gönnen möchte. Die Gliederung des Tages wird den Pferden von uns vorgegeben. Damit kommen sie in aller Regel gut zu recht (wie mit sehr vielen anderen Problen). Aber wer über Haltung von Pferden nachdenkt, sollte das nicht ganz aus den Augen verlieren. 
 +==== 1 Woche ==== 
 +Der Wochenrhythmus ist nur für uns Menschen interessant. Einem Pferd ist - abseits der durch uns vermittelten gleichmäßigen Wiederholungen - der Sonntag ziemlich wurscht. In unserem Leben hingegen ist der 7-tägige Rhythmus wichtig zur Synchronisierung der Tätigkeiten mit anderen Menschen und zur Organisierung unseres manchmal komplizierten Zusammenlebens. Ein Turnier am Mittwoch wäre vermutlich keine gute Idee um mal ein Beispiel zu nennen. 
 + 
 +Innerhalb dieser Wochenspanne wird unser Leben durch äußere Einflüsse stark strukturiert. Ob Arbeitszeiten, Familienleben oder andere soziale Kontakte, ob Tageszeit oder Wettereinflüsse: so ganz frei ist man selten. So sind die Pferde oftmals mit einem Zeitplan konfrontiert, in dessen Rahmen wir ein stets arbeitswilliges, braves Pferd erwarten. Ob um 7 Uhr oder 20 Uhr. Es schadet nicht, die eigenen Erwartungen in Bezug auf die Wochen-"Arbeitszeiten" seines Pferdes mal auf den Prüfstand zu stellen. Nicht nur aus "weichen" Gründen (Geht es dem Pferd dabei gut?) sondern auch aus praktischen Erwägungen (Ist das Pferd bei einer anderen Zeiteinteilung leistungsfähiger? 
 + 
 +In der Ausbildung des Pferdes ist die Wochenfrist ein guter Rahmen für die Lernfähigkeit des Tieres. Zwei gute Lerneinheiten an zwei Tagen hintereinander und dann eine dreitägige Pause. Dann die Wiederholung des Lerninhalts bringt oftmals überraschende Fortschritte. Das Pferd kann das gelernte Nach-Denken, der Mensch kann die Fortschritte oder Problemstellen überdenken und ggf. neue Ansätze suchen. So kommt man meist gut voran. Ganz nebenbei vermeidet man eintöniges Arbeiten und macht das Pferd mit steten Wiederholungen und monotonem Arbeiten nicht "stumpf" (was schneller geht, als man wahr haben möchte).  
 +{{ :mirchen-5642.jpg?direct |}} 
 + 
 +==== 1 Jahr ==== 
 +Ein Jahr ist aus der Sicht des Menschen am 1. Januar eine sehr lange Zeitspanne. Aber das relativiert sich im Jahresverlauf schnell. Für das Pferd sind aufgrund der kürzeren Lebenserwartung (30 statt 80 Jahre) die Jahre länger, aber ob die Tiere die jahreszeitlichen Wiederholungen bewusst wahrnehmen, ist nicht erforscht. Biologisch sind sie jedenfalls hervorragend an den Jahreszyklus eingerichtet (Fellwechsel z. B.).
  
 +Wichtig ist für die Ausbildung des Pferdes und das Zusammenleben mit den Tieren die Jahresplanung mit Rücksicht auf klimatische Verhältnisse (Winterfell z. B., gefrorene Plätze, schlechte Strassenverhältnisse, sommerliche Hitze etc.) und natürlich ist auch ein grosser Rahmenplan im Jahreszyklus wichtig, um die Richtung nicht zu verlieren und Zusammenhänge herstellen zu können. Schlussendlich kann auch nur eine langfristige Planung eine Kontrolle der Fortschritte ermöglichen und somit auch die eigene Zufriedenheit steigern und dem Pferd das verdiente Lob bescheren (bei guter, sprich flexibler Planung, sollte das Ziel in der Regel erreichbar sein!).
 +{{ :platini-training-1040231.jpg?direct |}}
  
-==== Eine Ewigkeit ==== +==== Ewigkeit ==== 
-sollte es dauern, aber es dauert nur ein Leben lang+Eine Ewigkeit sollte es dauern, aber es dauert nur ein Leben lang!
  
 +{{ :loewenherz-andreas-1582.jpg?direct |}}
die_zeit.1510063819.txt.gz · Zuletzt geändert: 2017/11/07 15:10 von andreasweingarten

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