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Platinis Reise

Vom Steinhuder Meer zum Waginger See

Die Reifen rollen, der Wagen liegt gut auf der Strasse, der Hänger folgt ohne große Bewegung. Unsere Blicke richten sich immer wieder auf den kleinen Monitor. Das kleine Pferdchen, welches man dort erkennen kann, steht nun schon 5 Stunden tapfer und ohne erkennbaren Stress im Hänger. Ab und zu kaut es am Heu, dem letzten Gruss aus der alten Heimat. Immer wenn wir, meine Tochter Elisabeth und ich uns dem Bild auf dem Monitor widmen kommen uns fast ein wenig die Tränen. Wir „entführen“ den kleinen Kerl da hinten. Als wir vor Stunden seine Heimat verließen, haben die Stuten hinter ihm hergerufen und der Kleine war so damit beschäftigt, seinen Stand zu finden, das er nur wenige Male wieherte und dann bemüht war, auf Niedersachsens Strassen nicht den Stand zu verlieren. Wie gesagt - das ist nun Stunden her.

Noch länger ist es her, das wir uns für Platini entschieden haben. das war keine einfache Entscheidung, denn es gibt viele Pferde! Zu viele, wenn man sich eines kaufen möchte. Und dennoch - engt man das Feld ein durch das Geschlecht, das Alter, die Körpermerkmale und evtl. auch noch durch die Rasse, wird die Sache schon übersichtlicher. Wir haben es so gemacht (wie, das ist eine neue Geschichte) und sind bei Knabstruppern hängen geblieben. So kam es, das wir 2013 eine kleine Tour durch Deutschland machten, um Züchter zu besuchen, welche unseres Erachtens zu der Zeit ein passendes Pferd im Stall hatten. Und diese Reise führte am Steinhuder Meer schließlich zu Platinis Züchterin Sabine Reinhold vom Gestüt http://www.knabstrupperzucht-af-lille-hav.de/. Der E-Mail Austausch war vor dem Besuch gut und umfangreich (was sich nach dem Besuch noch steigern sollte) und so wussten wir in etwa, was uns erwartet - aber nicht wer! Platini war aufgeweckt und kontaktfreudig, er hatte keine Angst und war auch nicht schreckhaft. Er kam uns entgegen und seine Art passte genau zu dem, was wir uns für unseren neuen Partner vorgestellt hatten. Da es Anfang Januar war, pfiff der Wind sehr kalt, aber wir haben dennoch eine Zeit lang mit ihm auf der Koppel gestanden. Ich habe mich bemüht, mir meine Frage zu beantworten. Die Frage „Ist er das?“. Und erst später wurde mir klar, das die Frage beim ersten Kontakt schon beantwortet war. Den!

Das ist jetzt 3 Monate und 15 Tage her. Auf der Rückfahrt damals haben wir im Auto alle Für und Wider diskutiert. Unsere Aufzeichnungen der in Frage kommenden Pferdchen immer wieder gelesen. Aber wir waren schon vor der Ankunft sicher: in wenigen Wochen holen wir Platini, wenn wir uns mit seiner Züchterin einig werden (es gab nur einen Punkt und das war die Wundheilung seiner Halswunde, die damals noch nicht ganz abgeschlossen war. Das wussten wir aber schon vor dem Besuch). Nun ja - die Sache wurde geklärt, wie auch viele Kleinigkeiten, die eben so rund um einen Pferdekauf anfallen. Aber wir wurden uns schnell und problemlos einig und die Vorbereitung begann. Um den neuen Partner adäquat unterzubringen, musste erst Mal ein Stall gefunden werden. In dem Stall, den wir als Einsteller nun bereits 10 Jahre waren, hatte ein Hengstfohlen keinen Platz und auch viele andere Ställe in der Umgebung lehnten ab. In meiner Verzweiflung, für den jungen Mann keine Unterkunft zu finden, plante ich die Pacht einer Wiese und wollte mit Stallzelt, Technik und Zaunbau eine eigenen Unterkunft schaffen. Damit der kleine Platini nicht alleine stehen muss, kam es damals zu dem Kauf eines zweiten Pferdes im gleich Alter. Der Rottaler Löwenherz kreuzte meinen Weg und sollte massgeblicher Teil unseres Projektes „Löwenherz und Erbse“ werden. Aber das erzähle ich ein anderes Mal… Da sich die Abholung von Platini auch druch die Wundheilung etwas verzögerte und Sabine Reinhold uns hier auch sehr entgegen kam, war es am Ende ein Zufall, der einen Platz für Platini und Löwenherz schaffte. Ich fuhr damals in der Gegend herum auf der Stallsuche (so ein bisschen wie Josef und Maria auf der Herbergssuche). Plötzlich erkannte ich auf einer Koppel den Knabstrupperhengst (Prins Laejo af Iwandi) einer Bekannten. Ich wusste, dass sie einen Knabstrupper hatte, aber den Stall kannte ich bis dato nicht. Also Bremse rein und Laejo begrüßt. Da kommt unsere Bekannte und lädt mich zur Stallbesichtigung. Beim Austausch der Neuheiten bietet sie an, bei der Stallbesitzerin zu fragen, ob denn nicht unsere zwei Jungs auch in der Männer-WG (damals 5 Hengste im Alter von 2 bis 4 Jahren) einziehen könnten. Gesagt - getan. So kamen wir zu einem Platz für die beiden Jungs. Nur wenige Kilometer von uns entfernt, viel Koppel, Offenstall und ein Platz zur Bodenarbeit.

Zurück auf die Autobahn. Unseren Anhänger habe ich für die Fahrt mit Platini umgebaut. Die Inneneinrichtung (Stangen etc.) habe ich komplett entfernt, da sie für einen Jährling nicht adaptiert werden kann und für so eine lange Fahrt der Kompromiss mit mehr Bewegungsfreiheit in jedem Fall der bessere war. Die Vordertür wurde von außen zusätzlich mit einem Spanngurt gesichert, damit das Jungpferd in keinem Fall die Türe öffnen kann. Ich habe eine Funkkamera eingebaut, welche von hinten in den Hänger schaut. So haben wir den Innenraum im Blick und hören auch, was sich da abspielt. Das trägt maßgeblich zu einer ruhigen Fahrt bei, denn jede Auffälligkeit kann man so vorne sehen und hören. Die Klappe habe ich mit einem stabilen, aber einsteckbaren und schnell entfernbaren Holzteil nach Platinis Einstieg komplett verschlossen. Dadurch ist sichergestellt, das er nicht über die Klappe springen kann (was öfter vorkommt als gedacht) und auch bei unserer Fahrt, welche komplett nachts stattfindet, nicht durch LKW-Scheinwerfer geblendet und gestört wird. Im vorderen Teil des Hängers haben wir durch Strohballen ein Polster aufgebaut, um bei einer Notbremsung den Aufprall zu mildern und wir haben den Hänger sehr grosszügig eingestreut um seine Geschäfte gut aufsaugen zu lassen und ihm auch das Hinlegen zu versüßen. Nachdem ich alles (Bücher, Blogs, Foren, Dissertationen, Erfahrungsberichte etc.) was es zum Thema „Transport“ zum Lesen gab, gelesen hatte, war ich sehr gespannt, ob Platini auf seiner langen Reise die Stellung bezog, die als angenehm für Pferde prognostiziert wurde, nämlich rückwärts zur Fahrtrichtung oder zumindest stark seitlich. Platini wählt nach 2 Stunden die Mittelstellung - also vorwärts, ziemlich gerade und fast genau im Zentrum des Hängers. Er kommt dennoch gut zum Heu und döst so dem Morgen und seiner neuen Heimat entgegen. Sogar ein Tankstopp holt ihn nicht aus dieser scheinbar für ihn angenehmen Stellung (wir kontrollieren das, da wir den Hänger kurz öffnen, um ihm Wasser anzubieten. das mag er aber nicht).

Der Tag der Abholung ist übrigens kein Zufall gewesen. Ich wollte mit dem Pferd in der Nacht fahren, da meine Hoffnung war, das sie nachts etwas ruhiger sind, um dem Pferd keine allzu große Sonneneinstrahlung und damit Wärme und vor allem keinen Stop-and-Go-Verkehr zu zumuten. Als wir gegen Abend des 18.April 2013 zum Verladen in Niedersachsen ankommen, ist gerade ein sehnlichst erwartetes Fohlen auf die Welt gekommen. So sehen wir auch das noch und werten es als gutes Omen, das Platini nun mit genau einem Jahr (Geburtstag hatte er am 17.4.2013) den Hof verlässt.

Die Fahrt geht weiter und die Planung an einem Feiertag in der Nacht zu fahren erweist sich als richtig. Es ist Karfreitag und nach einer Stunde rund um Hannover können wir unser Tempo durchziehen und gleiten mit knapp 100 ungestört durch Deutschland. Ungewöhnlich und ohne Stau. So sind wir überpünktlich im Morgengrauen am Stall in der Nähe des Waginger Sees und laden den neuen Partner aus. Etwas benommen schaut Platini aus dem Hänger und müde - wie wir - hüpft er über die Klappe, marschiert mit Elisabeth zur Box und rekelt sich erst Mal richtig. Dann widmet er sich dem Heu und wartet auf die Dinge, die nun kommen. Wir sind überglücklich, das alles so gut geklappt hat. In wenigen Stunden schon kommt sein neuer Kumpel Löwenherz und dann beginnt für uns und die beiden Jungs das Projekt „Löwenherz und Erbse“, ein neues Kapitel unseres Pferdelebens, ein neues Kapitel mit zwei neuen Familienmitlgiedern.

platinis_reise.1466352387.txt.gz · Zuletzt geändert: 2016/06/19 18:06 von andreasweingarten

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