Kommunikation oder: „Wie sag ich‘s meinem Pferd?“
Wenn ich jemandem etwas beibringen willen, ist es hilfreich, die gleiche Sprache zu sprechen.
Keine neue Weisheit, sondern ein Statement, welches uns gleich zu Beginn der ersten Ausbildungseinheit auf den Boden der Tatsachen holt. Ein Bild dazu:
„Ein Mensch bittet um einen Termin, bei welchem er sich mal einem Pferd näher kann. Ein lang gehegter Wunsch, einmal mit dem Pferd zu arbeiten oder zumindest ein wenig Zeit auf dem Reitplatz zu verbringen. Kein Problem, wir gewähren den Wunsch und haben mit Samira auch eine Knabstrupperstute, die besonnen, erfahren und den Menschen zugetan ist. Das Pferd wird zusammen geputzt (holen ist im Offenstall für Anfänger eine nicht so geeignete Maßnahme) und dann mit dem Kappzaum und einem Führstrick dem Menschen auf dem Reitplatz (unser Klassenzimmer) übergeben. Wir ziehen uns zurück und forschere Menschen beginnen sogleich mit Samira über den Patz zu gehen. Sie, ebenso wie die etwas zögerlicheren Menschen, stehen aber bald mit dem Pferd vor dem Platzausgang. Und jetzt?“
Klassischer Fall von „Ich sage ihr doch, sie soll gehen!“ Samira versteht „Bahnhof - und zwar gleich“ und möchte die Einheit zugunsten der Futteraufnahme beenden.
Lässt man die beiden gewähren, kommen meist noch ein paar körpersprachliche Silben beim Menschen, ein paar entsprechende Antworten vom Pferd und dann endet das meist in sanfter Gewalt des Menschen am Führstrick, um das Tier doch noch zu über-„reden“, ein wenig mit zukommen. Hier fehlt es nicht an gutem Willen auf beiden Seiten, sondern schlicht an der möglichen Kommunikation.
Wie kommunizieren wir Menschen, wie die Pferde und welche Mittel können wir übereinstimmend nutzen um uns auszutauschen?
Wie kommuniziert der Mensch?
Kommunikation ist der Austausch von Informationen im Sinne von Senden und Empfangen von Wissen, Meinung, Erfahrung usw. und ist in aller Regel Voraussetzung für Sozialhandlungen. In unserem Falle nicht zwischenmenschlich aber zwischengeschöpflich.
Kommunikation kann bewusst oder unterbewusst stattfinden. Die Mittel (hier nur die natürlichen Mittel, technische Mittel lasse ich außen vor) dazu sind (oberflächlich geschildert, um das Thema nicht zu sehr abgleiten zu
Verbale Kommunikation mit Sprache und Lauten
Nonverbale Kommunikation mit Körpersprache (Mimik, Bewegung), Zeichen (Signale, Symbole, Schriftzeichen) und Gerüchen
Verbale Kommunikation
Die verbale Kommunikation, Sprache genannt, ist unser tägliches Brot. Ob Grußformeln oder komplexe Inhalte - wir bringen es mit Sprache rüber. Dialekte, Fremdsprachen und Missverständnisse inbegriffen. Und ist die Sprache an sich schon nicht ohne Hindernisse, wird es richtig kompliziert, wenn man mit einem anderen Lebewesen sprechen soll und dieses nur einen eingeschränkten Intellekt zur Verfügung hat. Eingesetzte Sprache („Sprachhilfen“) beim Pferd beschränkt sich in der Regel auf wenige Wörter oder Textbausteine, welche dem Pferd in Form von Verknüpfung als Zeichen von Freude, Lob, Kritik, Tadel usw. aber auch als Anweisung für konkretes Handeln beigebracht werden. Beim Longieren und beim Fahren sind Sprachkommandos wichtig, aber auch in der Ausbildung vereinfachen sie die Abläufe für das Pferd wesentlich, wenn sie gut etabliert sind. Für gleiche Handlungen verwendet man immer das gleiche Wort. Arbeiten mehrere Menschen mit einem Pferd, kann man dem Tier das Leben und Lernen erleichtern, wenn die Worte bei allen Akteuren im gleichen Zusammenhang benutzt werden. Kurze prägnante Wörter sind wichtig, denn das Verständnis der Pferde ist nicht unbegrenzt. Auch sollte man ähnlich klingende Wörter von Anfang an vermeiden. In wieweit Sprache vom Pferd „verstanden“ wird, hängt maßgeblich von der Nutzung der Wörter im immer gleichen Kontext ab, von der Menge der Wörter (weniger ist hier mehr) und auch von der Sprachmelodie!
Die Melodie wird von vielen Pferden eher verstanden als das Wort und kommt immer gleich zum Einsatz. Melodie funktioniert auch ohne konkreten Inhalt, wie z. B. bei dem bekannten, tief gesprochenen „BBrrr“ oder einem fast schon tief gewieherten „Brraaaavvv“, in englisch „goood booy“ oder „ goood giirl“ (tief = beruhigend). Hohe Töne der Sprachmelodie sind beim Lob und der Motivation wichtig („fein“). Kurze, hoch gesprochene Wörter sind eher stimulierend („ja, ja,..“ oder „komm“).
Gängige Wortbeispiele:
- „Halt“ für Halt
- „Steh“ für stehen
- „Komm“ für den Beginn oder die Verstärkung einer Bewegung
- „Huf“ für das Hebe des Hufes zur Reinigung
- „Brav“ als Lob
- „Nein“ zur Unterbindung
- „Scheeritt“ zum Schritt
- „Teerab“ zum Trab
- „Galopp“ zum Galopp
- „Name“ zum Rufen des Pferdes, Aufmerksamkeit erzeugen
- „Zurück“ zum Rückwärtsrichten
- Usw.
Wichtig ist es, sich einen Wortstamm für die Arbeit mit dem Pferd zu überlegen. Er sollte nicht zu umfangreich sein und keine Varianten beinhalten. Für eine Aktivität sollte immer dasselbe Wort benutzt werden.
ABER! Rede ruhig mit Deinem Pferd, wenn Dir danach ist. Pferde sind gute Zuhörer und es geht einem oftmals als Mensch (gerade als verbal angelegter Mensch) besser, wenn man sich aussprechen kann. NUR! Erwarte keine Aktion vom Pferd oder gar Verständnis.
Für die gemeinsame Arbeit sind Einzelwörter für das Tier besser verständlich als Wörter im Satzkontext.
In Kutschenkursen (bei Fahren mit fremden Gespannen) gibt es oft Verwechslungen, wenn die Pferde vom Fahrschüler mit „komm zurück“ aufgefordert werden, doch bitte zurückzutreten. Die Pferde hören „komm“ und gehen an (vorwärts natürlich), dann hören sie „zurück“ und sind sich nicht mehr sicher, was gefragt wird. Schnell ist das Gespann etwas in „Unordnung“! Wenn einem das passiert, wird man sich der exakten Bedeutung der Sprachhilfen bewusst und auch der Lernfähigkeit unserer Pferde.
Nonverbale Kommunikation
Welchen wesentlichen Beitrag zum sozialen Miteinander die Körpersprache hat, lernen viele Pferdefreunde erst durch die Pferde bewusst kennen. Im Gegensatz zu den meisten Pferdeliebhabern, bin ich aber nicht der Ansicht, das Menschen körpersprachlich minder bemittelter sind als unsere Pferde. Wir sind uns dieser Form unserer Kommunikation nur nicht bewusst.
Körpersprache ist eine Form der nonverbalen Kommunikation, die sich in Form von Gestik, Mimik, Habitus und anderen bewussten oder unbewussten Äußerungen des menschlichen Körpers ausdrückt. Die Körpersprache hat einen entscheidenden Einfluss auf die Verständlichkeit der eigentlichen, gesprochenen Worte/Botschaft sowie die Wirkung der Person auf den jeweiligen Gesprächspartner. Körpersprache regelt einen sehr großen Teil des täglichen Umgangs und ist maßgeblich an all unseren Entscheidungen beteiligt. Ob beim Kennenlernen, beim Sitz suchen in der U-Bahn, bei Verhandlungen, beim Essen, dem Autofahren – es gibt keinen Bereich in dem unser Gehirn durch die Bewertung der körpersprachlichen Äußerungen der Mitmenschen nicht schon Schlüsse gezogen und oft schon Reaktionen einleitet (meist wieder körpersprachliche).
Mimik
Hier "Link zur Mimik" gibt es den Einstieg in die Mimik des Menschen, welche schon unheimlich umfangreich ist. Wir drücken damit Freude, Schmerz, Verständnis, Unverständnis und vieles mehr aus. Von den 26 Gesichtsmuskeln des Menschen sind im Wesentlichen acht alleine für die Mimik verantwortlich. Hinzu kommen die Augenbewegungen. Pferde können einen Teil davon – oft auch in Kombination mit anderen nonverbalen Äußerungen - interpretieren. Wieviel, weiß man leider nicht.
Die Mimik spielt bei Pferden ebenfalls eine große Rolle, wenn gleich die Möglichkeiten etwas begrenzter sind. Aber im Gesicht der Tiere spiegelt sich eindeutig Freude und Leid wieder, Neugier, Aggression und Schmerz. Es gibt zur Mimik ein paar gute Artikel, welche darstellen, wie das Pferd sich mimisch äußert. Z. B. hier "Link zum Bericht" von Dr. Margit H. Zeitler-Feicht und Dr. Dirk Lebelt .
Bewegung
Durch das Muskelspiel ist bzw. die daraus resultierenden Bewegungen des Körpers drücken wir uns ebenfalls aus. Eine Fingerbewegung im Gespräch, eine Hand- oder Armbewegung machen oftmals Sprache überflüssig. Hüftdrehung, ansatzweise Fußstellung oder auch nur die Anspannung einer Muskelgruppe zur eventuellen Bewegung - Pferde sehen auf Grund ihrer speziellen Wahrnehmung schon geringste Bewegungen und so ist dies ein wesentlicher Faktor unserer „Unterhaltung“ mit dem Pferd. Im Dialog gilt es ja bei der klassischen Ausbildung als ausgesprochenes Ziel, die jeweiligen Hilfen soweit es geht zu reduzieren und das mit dem Pferd so zu kommunizieren, das ein Außenstehender dies nicht mehr sehen kann. Unsere Begeisterung, dass ein Pferd unser Vorhaben umsetzt, bevor wir es ihm „mitgeteilt“ haben, hat mit Gedankenlesen nichts zu tun (wenn es auch reizvoll sein mag, daran zu glauben). Pferde sind Meister in der Wahrnehmung von Bewegung und wenn der Reiter daran denkt, eine Volte zu reiten, bereitet sein Körper die notwendigen Muskelgruppen schon vor. Da spürt das Pferd und kann so – ohne stärkere Einwirkung den neuen Kurs bereits beschreiten. Umso wichtiger ist es für uns, diesen Aspekt nicht außer Acht zu lassen um eine feine Kommunikation mit dem Tier nicht im Ansatz zu zerstören sondern sie zu nutzen für ein unsichtbares Band. Pferde nutzen ihre Muskeln auch zur körperlichen Tätigkeit. Auch wir als Mensch haben die Möglichkeit, diese Signale zu nutzen. Leider nicht so oft, wie umgekehrt. Aber oftmals „sehen“ wir die gröbsten Zeichen schon nicht:
- Pferde sind im entspannten Zustand eher waagerecht, lang, niedrig. Der Kopf wird locker getragen, bewegt sich oft abwärts, der Schweif pendelt tiefhängend.
- Pferde sind im angespannten Zustand eher hoch, aufragend, gerade gerichtet.
- Der Übergang von entspannt zu gespannt erfolgt schnell – zu schnell für und, da ein Pferd eine Schreck“-Sekunde von 0,1 Sekunden hat. 10 mal schneller als wir. Damit sind wir – falls wir nicht stets etwas vorausschauen – gnadenlos Letzter, wenn wir reagieren wollen.
Allerdings können wir uns das Wissen um diese Körperhaltung zu Nutzen machen für die Kommunikation mit dem Pferd.
Ruhe und Entspannung signalisiere ich durch eine „niedrige“ Art der Bewegung. Meine Hände und Arme bleiben unten, die Bewegungen sind eher flach und auch ruhig. Meine Knie bewegen sich beim Gehen nur wenig und die Schritte sind nicht weit ausladend. Die Stimme ist leise und tief. In der Pferdesprache ist dies am ehesten mit einer leisen Unterhaltung gleich zu setzen (Hier sehe ich auch die „Pferdeflüsterei“ am grundsätzlichsten angesiedelt. In der Realität „schreien“ manche dieser Flüsterer allerdings gewaltig mit ihren Pferden).
Aufmerksamkeit und Energie hole ich mir vom Pferd durch eine bewusste Aufrichtung des Körpers. Die Hände und Arme kommen höher (mit erhobener Gerte noch deutlicher), die Schritte werden länger, forscher und eine eigene, hohe Knieaktion wird die Bewegung beim Pferd animieren. Die Stimme kann etwas lauter werden, die Wörter härter und die Stimmlage höher. Alle Zeichen kommen eher höher, beim Longieren z. B. kommt der Schlag der Peitsche zum Treiben eher von oben. Wir reden „laut“ mit dem Pferd und bei der Nutzung dieser Lautstärke ist es ratsam, hin und wieder zu prüfen, ob man sich emotional noch im Griff hat. Hier kommen die meisten Übergriffe und auch Missverständnisse in der Kommunikation sind hier folgenreicher als bei „leisen“ Unterhaltungen.
Die Wirkung unserer Körpersprache müssen wir mit dem Pferd einüben (siehe Verhaltenstraining) und hier auch Nuancen setzen, Hilfen reduzieren soweit es geht.
Zeichen (Signale, Symbole, Schriftzeichen)
Es gibt eine Studie, der zur Folge Pferde auch komplexe Symbole lernen können:
http://www.appliedanimalbehaviour.com/article/S0168-1591(16)30219-2/fulltext
Dabei wurden 22 Pferden von professionellen Tiertrainern in positiver Verstärkung zuerst eine Auswahltafel mit drei Optionen antrainiert und die Pferde konnten dann wählen (ich halte das hier kurz) ob sie eine Regendecke haben möchten oder nicht. 22 Pferde wählten bei sonnigem Wetter keine Decke, 20 wählten bei Dauerregen und Wind eine Decke. Erstaunlich, oder? In wieweit sich diese Erkenntnisse in der Praxis auswirken, kann ich nicht sagen. Ich habe aber in den diversen Ställen, welche ich besichtigen durfte bisher nur Schilder für Menschen gesehen („Heu“ wäre ja für beide Partner schön…). Wir lassen dies also mal im Detail weg.
Sicher bin ich mir, dass Pferde durchaus interpretieren, was wir an Kleidung oder Ausrüstung tragen und daraus auch Handlungen entspringen. Ob man die Longierpeitsche trägt oder die Ausrüstung zum Spaziergang können Pferde zuordnen und unsere schlagen – so man sie lässt – auch die entsprechenden Wege ein. Auch hier sollte man also lieber von mehr kognitivem Vermögen ausgehen, als von weniger. Das macht beiden Seiten das Leben leichter.
Gerüche
Wir Menschen nehmen unsere Umwelt nicht in erster Linie über den Geruch war. Aber es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass der Geruchssinn bei uns keine tiefere Aufgabe hat. Gerüche entscheiden maßgeblich unser Leben und dies schon von Anfang an. Säuglinge riechen ihre Mutter eindeutig und beginnen beim Geruch der Mutter mit dem Saugen, die Partnerwahl findet auch mittels des Geruchssinnes statt. Z. B. haben wir unterbewusste Wahrnehmungen, welche Gerüche von anderen Menschen präferieren, die ein anderes Immunsystem haben als wir selbst. Dies dient der Selbsterhaltung der Menschen und begründet wohl auch den Spruch, dass man den anderen „nicht riechen könne“, also nicht leiden mag.
Pferde sind Meister der Geruchserkennung und viele erstaunliche Phänomene in ihrer Welt schreiben wir dem Sehen zu, welche aber eher dem Riechen zugestanden werden müssen. So z. B. die Erkennung ihrer Menschen auf weite Entfernung. Pferde versuchen stets Witterung von dem anderen Lebewesen zu bekommen und können so auch recht gut ohne Sehvermögen durch das Leben gehen. Es ist also kein Fehler sich dem Pferd zuerst mit dem Geruchssinn vorzustellen und den eigenen Körpergeruch nicht täglich mit einer Überdosis Parfüm zu vertuschen (wobei die Pferde vermutlich schon bald erkennen, wer da täglich ihre Geruchsnerven torpediert ;o). Das leichte Anblasen der Pferdenüstern ist kein überflüssiges Ritual, sondern hilft den Tieren sich ein bleibendes „Bild“ vom Partner zu machen.
Weitere mögliche Kommunikationsmittel des Menschen lasse ich hier weg, da die Wirkung auf Pferde nicht so deutlich ist. Z. B. Kleidung, Schminken, Baukultur etc. (mein Auto, mein Haus, mein Boot)
Wichtig ist, dass wir uns selbst unserer Ausdrucksstärke bewusst sind und bei der Körpersprache im Pferd einen ebenbürtigen Partner haben, der sich entsprechend ausdrückt und auch interpretiert/reagiert.